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Standard "Wundfotografie"

Im Glauben, sich damit vor Schadensersatzansprüchen abzusichern, nutzen viele Pflegeteams die digitale Wundfotografie. Vor Gericht jedoch gelingt es Anwälten immer wieder, den Beweiswert dieser Fotos infrage zu stellen. Wir zeigen Ihnen, wie Sie mit minimalem Aufwand ihre Dokumentation "wasserdicht" machen.


Standard "Wundfotografie"


Definition:

  • Fotografien sind ein geeignetes Mittel, um den Zustand einer Wunde und den Heilungsverlauf zu dokumentieren. Schriftliche Wundbeschreibungen können fehlerhaft und unvollständig sein. Sie bieten zudem Raum für Fehlinterpretationen.
  • Ein Verbandswechsel muss zügig erfolgen, um die Schmerzbelastung und das Infektionsrisiko zu reduzieren. Es fehlt dann oft die Zeit, um die Wunde ausführlich zu inspizieren. Auf einem scharfen und gut ausgeleuchteten Foto kann eine Pflegekraft oftmals mehr erkennen.
  • Es fällt mitunter schwer, von Verbandswechsel zu Verbandswechsel eine Entwicklung festzustellen. Der Vergleich zweier Fotos, deren Erstellung sechs oder acht Wochen auseinanderliegt, liefert zumeist zuverlässigere Informationen.
  • Wir nutzen Wundfotos auch, um einen Bewohner für die Fortsetzung der oftmals schmerzhaften Therapie zu motivieren. Dieser kann anhand mehrerer Fotos den Heilungsfortschritt sehen.
  • Wir nutzen für die Dokumentation ausschließlich Digitalkameras. Die Fotos sind schnell verfügbar, können als Datei archiviert und in hoher Qualität ausgedruckt werden.
  • Wir nutzen zwei Dateiformate parallel:
    • JPEG-Bilder: Dabei handelt es sich um fertige Fotos, die mit jedem PC angezeigt und ausgedruckt werden können.
    • RAW-Dateien: Diese Dateien sind das Gegenstück zum Negativstreifen der alten Schmalfilmkameras. Sie werden von der Kamera zum Zeitpunkt der Aufnahme erstellt. Sie lassen sich nur mit großem Aufwand manipulieren und haben daher einen höheren Beweiswert. RAW-Dateien können nur mit spezieller Software angezeigt und in "normale" Bilder umgewandelt werden.
Hinweise:
  • Die Bedienung der Kamera ist von Hersteller zu Hersteller unterschiedlich. In unserem Beispiel beschreiben wir das Vorgehen bei einem Modell des Produzenten Canon.
  • Die in diesem Standard beschriebenen Maßnahmen bieten ein besonders hohes Maß an rechtlicher Sicherheit. Dafür ist der Arbeitsaufwand für die Beweissicherung höher. Das Pflegeteam sollte über die richtige Balance entscheiden.

Grundsätze:

  • Jeder Mensch hat ein Recht am eigenen Bild. In unserer Einrichtung wird kein Bewohner ohne seine Zustimmung fotografiert.
  • Fotos ergänzen die Wunddokumentation. Sie können die schriftlichen Aufzeichnungen aber nicht ersetzen. Wundfotos ohne erklärende schriftliche Zusatzdokumentation sind wertlos.

Ziele:

  • Der Wundheilungsverlauf ist nachvollziehbar und kann sicher ausgewertet werden.
  • Die Wirksamkeit der durchgeführten Maßnahmen kann kontrolliert werden.
  • Die Pflegekräfte und die Einrichtung sind im Fall rechtlicher Auseinandersetzungen abgesichert.
  • Die Motivation von Pflegekräften und Senioren wird gesteigert, da die Fortschritte durch die "Vorher-Nachher-Bilder" klar ersichtlich sind.

Vorbereitung:

rechtliche Aspekte und Organisation

  • Der Bewohner oder seine gesetzlichen Vertreter müssen der Fotodokumentation zustimmen. Die Genehmigung sollte schriftlich erteilt werden. Das Dokument wird in der Bewohnerakte hinterlegt.
  • Der Bewohner kann die Zustimmung jederzeit widerrufen.
  • Die Kamera wird im Büro der Pflegedienstleitung gelagert. Sie darf nur für dienstliche Zwecke genutzt werden.
  • Die Anfertigung von Wundfotos ist Teil der Einarbeitung neuer Mitarbeiter. Die Einweisung erfolgt durch die Wundbeauftragte. Die Durchführung wird auch per Pflegevisite begleitet.
  • Eine Wunde wird alle zwei Wochen sowie nach deutlichen Veränderungen fotografiert. Dieses ist Aufgabe der Bezugspflegekraft.
  • Das Foto muss 30 Jahre aufbewahrt werden.
  • Die Fotos dürfen ohne Zustimmung des Bewohners nicht veröffentlicht werden, etwa für Schulungsmaterial, im Internet usw.
  • Eine Speicherung von Fotos in der sog. "Cloud" (Dropbox, Google Drive, iCloud) sollte vermieden werden, da der Zugriff von Dritten nicht sicher ausgeschlossen werden kann.

Kamera

  • Wir nutzen eine hochwertige Kamera. In Frage kommt entweder eine hochwertige Kompaktkamera ("Bridge-System") oder eine Spiegelreflexkamera ("DSLR"), jeweils ggf. mit externem Blitzgerät. Bei der Beschaffung sind folgende Kriterien wichtig:
    • gute Makrofähigkeit (um kleine Objekte scharf ablichten zu können)
    • Option, auch RAW-Dateien abzuspeichern
  • Ideal zum Fotografieren ohne Schatten sind Ringblitze (Kostenpunkt allerdings um die 500 Euro).
  • Ein Smartphone kommt als Fotogerät nicht in Betracht. (Hinweis: Über diesen Punkt sollte im Team diskutiert werden. Die Bildqualität der Smartphones ist inzwischen mehr als ausreichend. Es fehlt jedoch eine Zoomfunktion. Zudem wirkt das Prozedere mit einem Smartphone nicht sehr professionell.)
  • Wir schalten die Kamera auf "RAW+JPEG fine". Sie speichert also JPEG-Bilder in bestmöglicher Qualität und RAW-Dateien gleichzeitig. Das JPEG-Bild können wir sofort ansehen; die RAW-Datei dient der Beweissicherung.
  • Wir schalten auf die Programmautomatik ("P"). Wir nutzen nicht den Makro-Modus, da dieser die RAW-Speicherung unterdrücken würde. (Bei Kompaktkameras, die ohnehin keine RAW-Dateien abspeichern, ist der Makro-Modus hingegen durchaus sinnvoll.)
  • Die ISO-Einstellung wird auf "100" reduziert.
  • Bei manueller Einstellung sollte die Blendenzahl der Kamera bei mindestens 5,6 liegen.

Material

  • Zum Ausdrucken der Fotos nutzen wir ausschließlich Patronen des Originalherstellers. (Hinweis: Originalpatronen sind zwar überteuert, dafür aber sind die Fotos zumeist länger haltbar. Gemäß § 199 BGB muss die Dokumentation 30 Jahre aufbewahrt werden.)
  • Wir nutzen ausschließlich Markenfotopapier.
  • Wir halten jederzeit einen Fotodrucker bereit.

Durchführung:

  • Die Kamera darf nur mit gewaschenen und desinfizierten Händen genutzt werden. (Hinweis: Die Kunststoffoberflächen moderner Kameras reagieren oftmals empfindlich auf Desinfektionsmittel. Ggf. sollten daher sogar Einmalhandschuhe getragen werden.)
  • Das Fotografieren sollte zügig erfolgen, um den Wundbereich möglichst kurz unbedeckt zu lassen. Daher sollte bereits vor dem Verbandswechsel die Kamera vorbereitet werden.
  • Die Wunde wird immer nach der Wundreinigung fotografiert, nicht davor.
  • Wir stellen sicher, dass die Größe der Wunde korrekt eingeschätzt werden kann. Wir nutzen Einmallineale aus Folie, die neben der Wunde im Bild abgelegt werden. Auf dem Lineal kann der Name des Bewohners notiert werden. Dieses erhöht den Beweiswert der Aufnahme.
  • Bei den Aufnahmen sollten vergleichbare Lichtverhältnisse herrschen. Die Zimmerbeleuchtung wird angestellt, damit der Autofokus funktioniert. Auf den fotografierten Körperbereich sollte keine direkte Sonne fallen.
  • Wir schalten ggf. den Blitz ein. (Hinweis: Ein Blitz leuchtet die Wunde i.d.R. gut und farbneutral aus. Allerdings kann der Wundbereich glänzen.) Wichtig ist die Kontinuität. Wenn die Dokumentation mit eingeschaltetem Blitz begonnen wurde, sollte dieses so fortgeführt werden.
  • Die Entstehung von Schatten im Wundbereich sollte strikt vermieden werden. Diese sehen auf den Fotos später aus wie Nekrosen oder wie Wundtaschen. Ein sog. "Schlagschatten" ist unproblematisch; also etwa der Schatten des Fußes auf dem Hintergrundmaterial.)
  • Die Wunde sollte immer unter gleichen Bedingungen fotografiert werden. Die genauen Vorgaben werden bei der ersten Aufnahme festgelegt und dokumentiert. Alle weiteren Fotos verwenden die gleichen Parameter.
    • Die Kamera sollte stets senkrecht zur Wundfläche stehen. Ansonsten wird die Wunde verzerrt dargestellt.
    • Die Distanz vom Objektiv zum Motiv sollte mindestens 50 cm betragen.
    • Der Bewohner wird immer in der gleichen Position gelagert. Ansonsten kann es passieren, dass durch Verlagerungen von Muskel- und Fettgewebe eine Wunde zusammengedrückt wird und sich scheinbar schließt.
    • Die Brennweite (also die frei veränderbare Einstellung zwischen Weitwinkel- und Telebereich) wird stets gleich gewählt. Die Wunde sollte mindestens ein Drittel der Bildfläche einnehmen.
  • Falls wir die Pflege des Bewohners erst vor kurzer Zeit übernommen haben, prüfen wir, ob bereits eine Fotodokumentation vorliegt. Also etwa erstellt vom Krankenhaus oder von einem Pflegedienst. Falls möglich fordern wir eine Kopie des Datensatzes an. Im Idealfall können wir die fotografische Wunddokumentation nahtlos fortsetzen, also auch mit den gleichen Aufnahmeparametern.
  • Als Hintergrund werden grüne OP-Tücher oder ähnliches verwendet (ein weißer Hintergrund irritiert die Kamerabelichtung).
  • In einer Ecke des Bildes kann ein kleines Stück weißes Papier abgelegt werden. Diese Fläche kann als Referenz für den späteren manuellen Weißabgleich genutzt werden, um einen Farbstich zu entfernen. (Beispielsweise in Photoshop Elements: Klick auf "Überarbeiten", auf "Farbe anpassen", dann auf "Farbstich entfernen".)
  • Dreidimensionale Strukturen kann eine Fotografie nur sehr ungenügend abbilden. In Gänge, Fistelungen, Wundtaschen und Wundhöhlen sollte daher ggf. für die Aufnahme eine Sonde eingeführt werden.
  • Wenn der Blitz zu stark ist, kann er mit einer Lage weißen Zellstoffs abgeschwächt werden.
  • Die Aufnahme wird auf dem kleinen Bildschirm der Kamera kontrolliert. Unter- oder überbelichtete Aufnahmen werden gelöscht und wiederholt.
  • Eine spätere Korrektur der JPEG-Bilder mittels Bildbearbeitung ist nicht zulässig. Erlaubt ist nur eine Korrektur der Belichtung und des Weißabgleichs. (Ein umfassendes Bearbeitungsverbot bietet die größte Sicherheit vor Manipulationsvorwürfen.)
  • Relevante Details einer Wunde können mit zusätzlichen Aufnahmen festgehalten werden.

Nachbereitung:

  • Die Fotos werden umgehend nach der Aufnahme auf den PC überspielt.
  • Die Pflegekraft überzeugt sich davon, dass die Bilder komplett auf der Festplatte des PCs vorliegen. Sie kontrolliert Schärfe und Helligkeit der Aufnahme. Danach wird die Speicherkarte (wichtig!) in der Kamera formatiert. Ein Formatieren der Karte vom PC aus erhöht das Risiko, dass aus Versehen der falsche Datenträger gelöscht wird, etwa eine Festplatte.
  • Die Dateien werden am PC umbenannt. Wir nutzen dafür folgendes Schema: Nachname-Vorname-Körperteil-Datum. Beispiel: "gaby-muster-rechte-ferse-25-11-2008.jpg". Auch die dazu passenden RAW-Dateien erhalten einen neuen Namen. (Hinweis: Achten Sie auf die ursprüngliche Nummerierung der RAW- und der JPEG-Dateien. Die Dateien "IMG_1234.jpg" und "IMG_1234.RAW" gehören zusammen und zeigen das gleiche Bild.)
  • Das Bild wird ausgedruckt. Die Pflegekraft unterschreibt auf der Rückseite. Wir räumen auf diese Weise jeden Verdacht aus, dass Bilder vertauscht oder manipuliert wurden. Die Pflegekraft vermerkt auch den Namen des Bewohners, das Datum und das fotografierte Körperteil.
  • Vom Archiv werden einmal in der Woche mittels DVD-Brenner zwei komplette Sicherheitskopien erstellt. Eine Kopie verbleibt am Computerarbeitsplatz, die zweite wird extern gelagert. (Bei einem etwaigen Brand können also nicht auf einen Schlag alle Daten verloren gehen.)
  • Wir nutzen für die Archivierung ausschließlich Rohlinge mit der Bezeichnung "DVD-RAM". Nur diese Datenträger-Klasse hat eine ausreichende Lebensdauer. In keinem Fall nutzen wir "Blue-ray Disc","DVD-R", "DVD+R", "DVD-RW", "DVD+RW" oder "CD-RW". Diese Rohlinge können schon nach wenigen Jahren Daten verlieren.
  • Die gebrannten Rohlinge werden mit Datum und fortlaufender Nummer beschriftet. Die Lagerung der DVDs erfolgt trocken und lichtgeschützt.

Dokumente:

  • Pflegedokumentation
  • Anleitung der Digitalkamera

Verantwortlichkeit / Qualifikation:

  • alle Mitarbeiter