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Pflegestandard "Versorgung des Wundrandes und der Wundumgebung"

Bei der Versorgung von chronischen Wunden wird die Wundumgebung häufig nur als Nebenschauplatz betrachtet. Zu Unrecht, denn ein Hautdefekt verheilt zumeist ausgehend vom Rand. Unser Standard zeigt, wie Sie den Wundverschluss konsequent fördern können.


Pflegestandard "Versorgung des Wundrandes und der Wundumgebung"


Definition:

  • Der Wundrand ist der unmittelbare Übergang von der Wunde zur Umgebungshaut. Der Bereich kann sich je nach Wundheilungsstadium unterschiedlich darstellen. Im Idealfall ist er glatt und rosa. Er geht flach in das Granulationsgewebe über. Die Bildung von erstem Narbengewebe ist sichtbar.
  • Die Wundumgebung ist das Areal, das die Wunde umschließt. Die Haut ist überaus anfällig, da sie in Teilen aus frisch gebildetem Epithel- oder Narbengewebe besteht. Gleichzeitig ist die Wundumgebung hohen Belastungen ausgesetzt. Infektiöse Vorgänge innerhalb der Wunde stören auch die Hautflora der umliegenden Hautbereiche. Gleichzeitig gibt es mechanische Belastungen durch die Fixierung der Wundauflage etwa mittels Klebestreifen, die mehrmals aufgebracht und entfernt werden.
  • Aus dem Bereich der Wundumgebung können Keime in die Wunde getragen werden, etwa wenn sich die Wunde im Bereich der Analfalte befindet.
  • Die Epithelisierung einer Wunde beginnt i.d.R. vom Wundrand aus. Von dort wandern Zellen in den Wundgrund. Diese Zellen teilen sich besonders schnell und bilden ein neues Epithel. Wenn der Wundrand leblos ist, wird sich die Wunde nur mit großer Verzögerung verschließen.
  • Die Beobachtung und die Pflege dieses Hautbereiches ist also ein unverzichtbares Element der Wundversorgung. Wir können Rückschlüsse ziehen auf die Durchblutungssituation, auf eine entstehende Wundinfektion oder auf die Entstehung eines bösartigen Tumors.
  • Hinderlich ist der Mangel an objektiven Kriterien zur Beschreibung der Wundumgebung. Der Zustand der Wunde selbst lässt sich leicht erfassen, etwa durch Messung des Wundvolumens, der Wundfläche oder der Tiefe von Wundtaschen. Für die Hautfarbe, für die Hautfeuchtigkeit oder für die "Glattheit" bzw. die "Zerklüftung" der Wundränder usw. gibt es keine praktikablen Messmethoden. Hier kann die Pflegekraft nur mit eigenen Worten den Zustand beschreiben. Sind mehrere Pflegekräfte an der Dokumentation beteiligt, ist eine objektive Verlaufsbeschreibung kaum möglich.

Grundsätze:

  • Wir arbeiten eng mit dem behandelnden Hausarzt zusammen. Wir verstehen uns als Partner bei der Sicherstellung einer raschen und komplikationsarmen Heilung.
  • Eine Wundinfektion ist eine ernste Komplikation, die nicht unterschätzt werden darf. Sie kann sich in das umgebende Gewebe ausbreiten und eine Sepsis auslösen. Wenn sich die Wundinfektion in einem Maß verschlimmert, dass sie mit unseren pflegerischen Mitteln nicht mehr kontrolliert werden kann, wird der Bewohner in ein Krankenhaus überwiesen.

Ziele:

  • Wundheilungsstörungen werden korrekt und zeitnah erkannt.
  • Die Wundränder werden vor schädlichen Umwelteinflüssen geschützt. Es gelingt uns, eine konstante Epithelisierung der Wunde aufrechtzuerhalten. Es kommt letztlich zu einem erfolgreichen Wundverschluss.
  • Durch eine lückenlose Dokumentation erleichtern wir eine präzise Einschätzung des Heilungsverlaufs und schützen uns im Schadensfall vor ungerechtfertigten Forderungen.

Vorbereitung:

  • Die Haare in der Umgebung von Wunden werden nicht durch eine Rasur entfernt. Durch eine Rasur kann es zu Mikroverletzungen der Haut kommen, die wiederum als Eintrittspforte für Keime dienen können. Störende Haare sollten daher mit einer Schere gekürzt werden.
  • Der Wundrand wird durch ein geeignetes Präparat vor einer Austrocknung geschützt.
  • Eine Mazeration (s.u.) kann zumeist durch den Wechsel der Wundauflage korrigiert werden.
  • Ideal eignen sich Langzeit-Hautschutzcremes (wie etwa Cavilon), um den Wundrand zu unterstützen. Da diese einen transparenten Film bilden, ist es vergleichsweise einfach, den geschädigten Hautbereich zu beobachten. Mit abdeckenden Pasten ist dieses kaum möglich.
  • Der Wundrand wird (ebenso wie die Wunde selbst) vor Druck und vor Traumata geschützt. Dieses erfolgt insbesondere durch eine angemessene Lagerung des betroffenen Körperbereiches.

Durchführung:

Untersuchung auf Schädigungen

Wir achten auf die häufigsten Schädigungen. Bei relevanten Beobachtungen wird der behandelnde Hausarzt informiert.

  • Rötungen, Überwärmung, Schwellungen, Druckempfindlichkeit und Schmerzen weisen auf eine sich entwickelnde Wundinfektion hin.
  • Die Pflegekraft achtet auf scharf begrenzte Rötungen, deren Fläche der Form der aufgelegten Wundauflage ähnelt. In diesem Fall handelt es sich zumeist um eine allergische Reaktion auf die Wundauflage. Auch eine Mazeration kann durch Allergien ausgelöst werden.
  • Falls rote Streifen aus dem geröteten Areal in Richtung Körpermitte führen, kann eine Lymphgefäßentzündung vorliegen. Da dann eine Antibiotikatherapie erforderlich ist, muss der Arzt zeitnah informiert werden.
  • Wenn sich die Rötung großflächig ausbreitet, scharf begrenzt ist und eine purpurne Färbung annimmt, kann dieses auf eine Streptokokkeninfektion hindeuten. Betroffene leiden zumeist parallel an hohem Fieber.
  • Ist die Wundumgebung opaleszent-weiß (schillernd weiß), weich und runzelig, liegt ggf. eine Mazeration vor.
  • Ist die Wundumgebung geschwollen, handelt es sich um ein Ödem (extrazelluläre Flüssigkeitsansammlung). Diese Veränderung lässt sich am besten erkennen, wenn beide Körperseiten miteinander verglichen werden, also etwa ein betroffener linker Fuß mit dem nicht betroffenen rechten Fuß.
  • Wir inspizieren die Form des unmittelbaren Wundrandes. Ist dieser schräg abgeflacht, liegt oft ein venöses Geschwür vor. Eine scharfe Begrenzung mit "ausgestanzten" Wundrändern hingegen spricht für ein arterielles Geschwür. Sind die Wundränder vorgewölbt oder eingerollt, kann ein Malignom bzw. ein Spinaliom vorliegen. Der Arzt wird darüber informiert, damit er eine Biopsie vornehmen kann.
  • Wenn sich die Wundränder ablösen, untersuchen wir diese mit einer Messsonde auf Taschen- und Höhlenbildung. Alternativ nutzen wir eine Knopfkanüle. Unterminierte Wundränder führen zu einer Vergrößerung der Wundfläche. Eine unterminierte Wunde kann auch auf Tuberkulose bzw. auf Syphilis hindeuten. (Hinweis: Beide Krankheiten sind in Deutschland wieder auf dem Vormarsch.)
  • Bei Nekrosen ist die Größe das entscheidende Kriterium. Kleine trockene Nekrosen werden letztlich spontan abfallen, wenn sie weiter ausgetrocknet sind. Größere Nekrosen können die Wundheilung verzögern, da sie Wundinfektionen fördern und das Zusammenwachsen der Wundränder verhindern. Sie müssen vom Arzt entfernt werden.
  • Es ist wichtig, die Heilungsphase der Wundränder mit der Heilungsphase der Wunde selbst zu vergleichen. So kann es z.B. passieren, dass sich an den Wundrändern bereits Epithelgewebe bildet, während die Wunde selbst noch in der Reinigungsphase verharrt. In diesem Fall wird sich die Heilung des gesamten Hautdefekts verzögern. Überdies steigt das Risiko, dass sich Wundhöhlen bilden.

Die Hand als Diagnosewerkzeug

Das wichtigste Instrument zur Erkennung und zur Bewertung von Hautveränderungen ist die Hand der Pflegekraft. Wir beachten, dass die Hand unterschiedliche Sensibilitätsbereiche aufweist.

  • Eine Überwärmung kann am leichtesten mit dem Handrücken erfasst werden.
  • Die Fingerspitzen sind ideal, um die Oberflächenstruktur und die Feuchtigkeit der Haut zu erspüren.
  • Großflächigere Verhärtungen oder Ödeme kann die Pflegekraft feststellen, indem sie die Handinnenfläche auf den verdächtigen Hautbereich legt.
  • Tiefer liegende Gewebeanomalien wie etwa Knoten lassen sich mit dem Daumen lokalisieren. Die Pflegekraft achtet darauf, dass sie nicht zu viel Druck ausübt.

Nachbereitung:

Der Zustand der Wundränder wird erfasst und dokumentiert. Relevant sind dabei insbesondere folgende Kriterien:

  • Sind die Wundränder glatt und unauffällig? Oder sind sie ungleichmäßig, fransig und zerklüftet?
  • Gibt es Beobachtungen, die auf eine Infektion schließen lassen wie etwa Rötungen, Schwellungen, Überwärmung oder (Druck-) Schmerz?
  • Sind Nekrosen im Wundbereich sichtbar?
  • Ist eine Geruchsbildung bemerkbar?
  • Haben sich Ödeme gebildet?
  • Gibt es Ekzeme im Wundbereich? Welche flächenmäßige Ausdehnung haben sie?
  • Ist die Haut mazeriert?
  • Ist die Haut minderdurchblutet?
  • Gibt es im Wundbereich eine Höhlen- oder eine Taschenbildung?
Das Gleiche erfolgt mit der Wundumgebung.
  • Wie geschmeidig ist die Haut?
  • Wie ist der Hautzustand? Ist die Haut trocken, rissig, schuppig, feucht oder verhornt?
  • Sind Hautirritationen sichtbar, etwa Rötungen der Haarfollikel im Klebebereich der Wundauflagenfixierung?
  • Gibt es sichtbare allergische Reaktionen, etwa auf Medikamente oder auf Verbandsstoffe?
  • Gibt es sichtbare Verletzungen, etwa Einrisse?
Der behandelnde Arzt wird über alle relevanten Beobachtungen informiert.

Dokumente:

  • Wunddokumentation
  • ärztliches Verordnungsblatt
  • Kommunikationsblatt mit dem Arzt
  • Pflegeplanung

Verantwortlichkeit / Qualifikation:

  • Pflegefachkräfte