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Sturz im Seniorenheim: Wer muss zahlen?

Immer wieder kommt es in Seniorenheimen zu Stürzen von Bewohnern. Wenn diese dabei verletzt werden, stellt sich die Frage nach der Haftung. Wer also muss zahlen? Wir haben fünf interessante Urteile für Sie zusammengestellt.

  • Fall 1: Die Bewohnerin eines Seniorenheimes stürzt auf dem Weg zur Toilette und zieht sich eine Oberschenkelhalsfraktur zu. Die Krankenversicherung will vom Heim Schadensersatz für die Behandlungskosten und argumentiert, dass die Bewohnerin auf ständige Hilfe beim Aufsuchen der Toilette angewiesen gewesen sei. Die Pflegekraft hätte bei ihr bleiben müssen. Das Heim widerspricht und ist der Ansicht, dass  eine ständige Aufsichtspflicht gegenüber der Bewohnerin vertraglich nicht bestanden habe. Zudem sei eine Pflegeperson in der Nähe gewesen, die die Bewohnerin aufgefordert habe, sitzen zu bleiben. Das Amtsgericht Eggenfelden stellt fest, dass der Sturz dem allgemeinen Lebensrisiko älterer Menschen zuzurechnen sei. Zu deutsch: Es war einfach Pech. Weder das Pflegeheim noch die Pflegekraft können für den Unfall verantwortlich gemacht werden. (AG Eggenfelden, Urteil vom 11. Dezember 2000, Az.: 1 C 894/00)  
  • Fall 2: Ein fast gleicher Fall. Die demente Bewohnerin stürzt nachts auf dem Weg zur Toilette und zog sich ebenfalls eine Oberschenkelhalsfraktur zu. Wieder will die Krankenversicherung Schadensersatz vom Pflegeheim. Begründung: Das Seniorenheim hätte ein Bettgitter anbringen müssen, um die Bewohnerin am Verlassen des Pflegebettes zu hindern. Dem widersprach das Gericht. Das Pflegepersonal hatte vier nächtliche Kontrollgänge unternommen. Das müsse reichen. Ein ohne Zustimmung des Bewohners angebrachtes Bettgitter stelle zudem schlichtweg eine Freiheitsberaubung dar. Fazit: Kein Schadensersatz für die Krankenversicherung.  (LG Essen, Urteil vom 21. August 1998, Az.: 3 O 266/98)  
  • Fall 3: Noch ein Sturz, diesmal aus dem Sessel, der in einem Flur aufgestellt war. Die Krankenversicherung vermutete eine Verletzung der Aufsichtspflicht und will sich den entstandenen Schaden vom Heim ersetzen lassen. Nix da, meint das Landgericht. Wenn keine besonderen Umstände vorliegen, ist der Heimträger nicht verpflichtet, einen Heimbewohner ständig zu betreuen. Und eine Fixierung komme schon mal gar nicht in Frage. Tatsächlich resultiere der Unfall aus dem bei einem älteren Menschen erhöhten Lebensrisiko. Kurzum: Keine Haftung des Heimträgers. (LG Bonn, Urteil vom 15. April 1999, Az.: 13 O 521/98)  
  • Fall 4: Eine 85-jährige Heimbewohnerin zog sich in Folge eines Sturzes eine schwere Halswirbelfraktur zu, an deren Folgen sie später verstarb. In den Wochen zuvor war sie bereits drei weitere Male gefallen, allerdings ohne gravierende Folgen. Sicherungsmaßnahmen wie das Heraufziehen des am Bett angebrachten Gitters hatte die Seniorin stets abgelehnt. Die AOK© verlangt nun vom Betreiber des Pflegeheims die Behandlungskosten in Höhe von ca. 86.000 € ersetzt. Sie ist der Ansicht, das Pflegepersonal hätte hier angesichts der vorhergehenden Vorfälle sturzprophylaktische Maßnahmen notfalls auch gegen den Willen der Heimbewohnerin treffen müssen. Völlig richtig, urteilte das Oberlandesgericht Dresen. Bei dieser Sachlage hätte das Pflegepersonal der Bewohner - ggf. unter Hinzuziehung eines Arztes und weiterer Vertrauenspersonen - nochmals eindringlich nahe legen müssen, Sicherungsmaßnahmen zuzulassen. Wäre dies erfolglos geblieben, hätte unter den hier gegebenen besonderen Umständen das Vormundschaftsgericht informiert werden müssen, um ggf. eine gerichtliche Anordnung bezüglich der erforderlichen Sicherung der Geschädigten zu erwirken. Die Voraussetzungen für eine solche Maßnahme lagen nach Ansicht des Senates wegen der bestehenden akuten und erheblichen Gesundheitsgefährdung vor.  (OLG Dresden, Urteil vom 23.09.2004, Az.: 7 U 753/04 )  
  • Fall 5: Eine 89-jährige Frau in einem Berliner Pflegeheim stürzte am Juni 2001 aus ihrem Bett. Sie ist hochgradig sehbehindert sowie zeitweise desorientiert und verwirrt. Bereits einige Jahre zuvor war sie dreimal schwer gestürzt. Diesmal verlangte die Krankenkasse die Behandlungskosten von dem Heim zurück. Begründung: Angesichts der vorherigen Stürze habe das Heim die Frau besser sichern und beispielsweise festbinden müssen - oder zumindest die Bettgitter hochfahren sollen. Der Bundesgerichtshof (BGH) wies die Klage ab. Trotz der vorangegangenen Stürze habe kein hinreichender Anlass bestanden, die Bewohnerin im Bett zu fixieren oder die Bettgitter hochzufahren, urteilten die Karlsruher Richter. Das Pflegeheime habe zwar eine Obhutspflicht zum Schutz der Senioren, diese sei aber "begrenzt auf die in Pflegeheimen üblichen Maßnahmen, die mit einem vernünftigen finanziellen und personellen Aufwand realisierbar sind". Maßstab müsse dabei "das Erforderliche und das für die Heimbewohner und das Pflegepersonal zumutbare Sein". Besonderes Gewicht komme dabei der Würde und Selbstständigkeit der Bewohner zu. (Bundesgerichtshof 28. April 2005,  Az: III ZR 399/04)
Fazit: Wenn ein Bewohner in einem Seniorenheim stürzt, muss der Heimbetreiber nicht automatisch zahlen. Allein die Tatsache, dass der Bewohner nicht rund um die Uhr bewacht und bei jedem Schritt begleitet wurde, reicht für eine Haftung nicht aus.